Die Zukunft des Apfels

Foto credits des gesamten Artikels © Patrick Schwienbacher

ipoma präsentiert

Ein Blick voraus

Tradition und stete Veränderung der Apfelwirtschaft in Südtirol

  • Die Apfelwirtschaft hat in Südtirol eine lange Tradition, die auf steter Veränderung basiert. Auch im 21. Jahrhundert stehen Herausforderungen an, um den Reiz des Apfels neu zu entfachen.
  • Einen Blick voraus bietet der Artikel 'Die Zukunft des Apfels' aus der ipoma Ausgabe 01*Hier findest du den ganzen Artikel zum Lesen und Herunterladen. 

  

*aus ipoma Ausgabe 01, “Die Zukunft des Apfels”, Ex Libris 2020

Andreas Rottensteiner

Andreas Rottensteiner

Landwirt, Pieracherhof in Signat

„Die Landwirtschaft hat bis heute überlebt, weil sie sich immer wieder verändert hat.“

Andreas Rottensteiner

Landwirt, Pieracherhof in Signat
Walter Pardatscher

Walter Pardatscher

VOG-Direktor

„Es geht nicht nur um süß oder sauer, sondern darum, wie gut ein Apfel frisch bleibt.“

Walter Pardatscher

VOG-Direktor
Martin Pinzger

Martin Pinzger

VIP-Direktor

„Das Konsumverhalten ändert sich, die Nachfrage nach weniger Plastik steigt.“

Martin Pinzger

VIP-Direktor

Wer sich auf die Suche nach der Zukunft des Südtiroler Apfels macht, ist am Pieracherhof in Signat an einer guten Adresse. Auf 800 Meter Meereshöhe, inmitten eines Postkarten-Panoramas und mit Südtirols Landeshauptstadt zu Füßen, reifen auf sechs Hektar terrassierter Anbaufläche Äpfel heran, die aufgrund der geringen Mengen teilweise noch nicht kommerziell vermarktet werden – aber bereits wohlklingende Markennamen wie SweeTango tragen. 


„Es ist etwas aufwendig, sie zu ernten, da man von jedem Apfel den Stängel abschneiden muss, damit er andere nicht ansticht“, sagt Landwirt Andreas Rottensteiner und zeigt auf noch kleine rote Früchte. „Doch in Geschmack und Konsistenz sind das absolute Premium-Äpfel – und so hoffe ich, dass man die Mehrarbeit bezahlt bekommt.“

  • Seit 260 Jahren bewirtschaftet die Familie des Bauern den Erbhof am Ritten oberhalb von Bozen. Diese Tradition sicherte Rottensteiner seit jeher mit Innovation:
  • durch den schrittweisen Ersatz von Heuwiesen durch Apfelanlagen, als Pionier bei Tropfberegnung und Hagelnetzen oder eben mit Clubäpfeln. 2003 startete das Mitglied des Verbands der Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG) eine Testphase mit Kanzi.
  • Heute sind 60 Prozent seiner Anbaufläche mit Vertragssorten bepflanzt – mit Envy, Yello, SweeTango und seit diesem Jahr erstmals Cosmic Crisp - eine Sorte, die von der New York Times als der „vielversprechendste und wichtigste Apfel der Zukunft“ geadelt wurde.

„Die Landwirtschaft hat bis heute überlebt, weil sie sich immer wieder verändert hat“, ist Andreas Rottensteiner überzeugt. 

„Der größte Fehler, den man machen kann, ist deshalb, nichts zu tun und immer bei der gleichen Sorte zu bleiben.“

  • Erst recht, wenn Konkurrenz aus Niedriglohnländern den Markt mit eigentlich traditionellen Südtiroler Sorten wie Golden Delicious oder Gala zu Spottpreisen überschwemmt.
  • „Wenn in starken Jahren waggonweise Äpfel zu Preisen von 30 Cent pro Kilo vermarktet werden, kommen auch Anbauregionen mit langer Tradition unter Druck“, sagt Alessandro Dalpiaz, Geschäftsführer von Assomela, der Dachorganisation von Italiens Apfelproduzenten. Insbesondere, wenn sie sich – wie Südtirol – durch kleinstrukturierte Familienbetriebe auszeichnen und entsprechend hohe Produktionskosten haben.
  • Zusätzlich muss man auch hierzulande auf das Problem reagieren, dass der gute alte Apfel neben immer neuer und exotischer Konkurrenz im Obstregal auf den ersten Blick zunehmend altbacken aussieht.

Wie also will Europas größtes geschlossenes Anbaugebiet seine Marktstellung vor diesem Szenario behaupten? 

Weiterhin durch höchste Qualität, lautet die Antwort der großen Südtiroler Erzeugerverbände, des oben genannten VOG und des Verbandes der Vinschger Produzenten für Obst und Gemüse (VIP). Um dieses Versprechen zu halten, ruht man sich nicht auf guten klimatischen Produktionsbedingungen aus. Sorteninnovation, naturnahe Produktion, technologische Führerschaft und konkurrenzloser Service sind die wichtigsten Instrumente, mit denen die Zukunft von über 7.000 Apfelbauern im Land gesichert werden soll. 


Die Schwerpunkte von VOG und VIP mögen sich dabei teilweise unterscheiden. Vor allem bei der Erneuerung des Produktsortiments zieht man jedoch an einem Strang – seitdem vor 18 Jahren mit dem Sortenerneuerungskonsortium Südtirol (SK) eine gemeinsame F&E-Abteilung gegründet wurde. Damals hatte der Siegeszug von Pink Lady verdeutlicht, dass sich neben den Standardsorten ein neuer Markt auftut: die gemanagten Sorten oder Vertragssorten, deren Sorten- und Markenrechte in der Hand von privaten Unternehmen oder Konsortien liegen. Im Gegenzug zu höheren Baumpreisen und Lizenzgebühren erhalten Bauern die Anbaurechte, verbunden mit der Hoffnung, durch einen kontrollierten Anbau und exklusive Vermarktungsrechte in Zukunft bessere Auszahlungspreise zu erzielen. Zugleich zeichnen sich diese neuen Apfelsorten durch besondere organoleptische Eigenschaften aus: vom besonders knackigen Fruchtfleisch über völlig neue Geschmacksnoten bis hin zu besonders guter Haltbarkeit.

  • Ein Dutzend solcher Clubmarken wurden seit der Gründung des SK im Jahr 2002 in Südtirol eingeführt. 2011 wurde die regionale Kooperation um die Mitgliedschaft in der International Pome Fruit Alliance erweitert, in der VOG und VIP mit Erzeugerorganisationen aus Südafrika, Neuseeland, Australien, Chile und den USA auf Jagd nach den vielversprechendsten Sorten gehen. 
  • Eine konkrete Beute wird im Jänner 2021 zusammen mit zwei weiteren Neuheiten dem internationalen Publikum vorgestellt: die Sorte Ipador. Ein Apfel, der sich durch eine außerordentliche Lagerfähigkeit auszeichnet und sich deshalb für eine Vermarktung in der zweiten Saisonhälfte, also zwischen März und Juli eignet. 
  • Die Exklusivrechte an Ipador halten die sechs Mitglieder der International Pome Fruit Alliance, erklärt Markus Bradlwarter, Geschäftsführer des Sortenerneuerungskonsortiums. „Jeder der Mitgliedsverbände kann in seinem Territorium selbst über die jeweiligen Produktionsmengen entscheiden.“
  • Musik in den Ohren des VOG. Zwölf Genossenschaften mit 4.600 Bauern und einer Produktion von zuletzt 490.000 Tonnen an Äpfeln finden sich unter dem Dach von Europas größter Apfelvermarktungsorganisation VOG, die bereits 1945 gegründet wurde und mittlerweile ihr 75-jähriges Bestehen feiert. 
  • 63 Prozent dieser Menge werden exportiert und müssen sich in über 60 Ländern weltweit der Konkurrenz und den jeweiligen Markttrends stellen. 
  • Eine Herausforderung, der man unter dem Leitsatz „Für jeden Geschmack den richtigen Apfel“ begegnet. Die Vision? Über ein ausgeklügeltes Category Management 365 Tage im Jahr den passenden Apfel für jeden europäischen wie außereuropäischen Markt anbieten zu können. 
  • „Dabei geht es nicht nur um Vorlieben für süß oder sauer und Apfelgrößen oder -färbungen, sondern auch um die Lagerfähigkeit oder die Frage, wie gut ein Apfel lange Transportwege verkraftet und auch in einem Land mit tropischem Klima und schwachen logistischen Infrastrukturen frisch bleibt“, sagt VOG-Direktor Walter Pardatscher.

Einen Schwerpunkt in der Verbandstätigkeit bildet das Thema Nachhaltigkeit: 

Rund 90 Prozent der Äpfel werden nach den Richtlinien der integrierten Produktion angebaut, zehn Prozent werden auf 1.000 Hektar biologisch produziert. 

Mit rund 30.000 Tonnen zählt der VOG zu den größten Produzenten von Bio-Äpfeln. Der Verband arbeitet außerdem an der stetigen Internationalisierung seiner Marke Marlene, die 1995 für den italienischen Markt entwickelt wurde und mittlerweile in 25 Ländern zu finden ist: In Spanien zählt Marlene etwa zu den bekanntesten Marken im Obst- und Gemüsesektor.

  • Auch neue Sorten mit aufregenden Geschmacksnoten und besonderen Eigenschaften helfen dem Verband, den Apfelkonsum wieder anzukurbeln. „Es muss wieder cool werden, in einen Apfel zu beißen“, sagt Pardatscher. Gleichzeitig kann die Produktion auf Südtirols Apfelwiesen damit noch besser auf die weltweite Nachfrage abgestimmt werden. 
  • Zum Zweck der Sortenplanung werden seit 2017 in einem fünfjährigen Sortenerneuerungsprogramm 1.600 Hektar – rund 15 Prozent der Apfelwiesen der VOG-Mitgliedsbetriebe – mit neuen Sorten bepflanzt.
  • „Um die maximale Qualität aus den jeweiligen Sorten herauszuholen, geben wir konkrete Anbauempfehlungen vor. So garantieren wir, dass die Sorten in den richtigen Mikroklimazonen angebaut werden, die zwischen 200 und 1.000 Meter Meereshöhe liegen“, so der VOG-Direktor.

Ein interessantes Mikroklima findet sich auch im Westen Südtirols, im Vinschgau. Zwischen 500 und 1.000 Meter Meereshöhe erstreckt sich hier das höchstgelegene homogene Anbaugebiet Europas: mit vielen Sonnentagen und wenig Niederschlag, kühlen Nächten und warmen Tagen und dazu einem ständigen Lüftchen, dem Vinschger Wind. Bedingungen, unter denen selbst eine Standardsorte wie Golden Delicious zu ihrer rotbackigen Höchstform aufläuft. Der beliebte Berg-Golden macht deshalb heute immer noch gut 60 Prozent der 320.000 Tonnen Äpfel aus, die vom Vinschger Produzentenverband VIP eingebracht werden. 1.700 Familienbetriebe, organisiert in sieben Genossenschaften, finden sich unter dem Dach der VIP, die 2020 ihr 30-jähriges Gründungsjubiläum feiert.


Auch im Vinschgau werden derzeit alle nicht idealen Golden-Standorte für neue Sorten freigemacht. Genauso viel Bewegung gibt es in Richtung naturnahe Erzeugung. In ganz Südtirol ist im Bereich Integrierte Produktion ein wahrer Wettbewerb um ökologische Praktiken ausgebrochen: von Steinmauern, Vogelnistkästen oder Blühstreifen bis zum freiwilligen Verzicht auf Herbizide; mit Letzterem ist man im Vinschgau Vorreiter. Dasselbe gilt für Bio-Äpfel: Mit 15 Prozent biologisch bewirtschafteter Anbaufläche sind Südtirols Apfelbauern beim Angebot von Bio-Ware europaweite Nummer eins. Im Westen des Landes beträgt dieser Anteil heute schon 20 Prozent. Ein Aufwärtstrend, der sich in allen Südtiroler Apfelanlagen fortsetzen wird – auch auf Basis eines Nachhaltigkeitsprogramms, an dem aktuell mit der Landwirtschaftspolitik gearbeitet wird.

  • Symbolisch für das bisher Erreichte ist eine Landmarke im Vinschgauer Dorf Kastelbell: Dort lagern in den Kühlzellen der Obstgenossenschaft Juval sämtliche Bio-Äpfel aus dem Vinschgau. Bis zu 35.000 Tonnen beträgt die Produktion aktuell, 50.000 Tonnen sollen es in fünf Jahren sein. Seit 2019 werden Äpfel hier im 30 Meter hohen Hochregallager – hinter einer Fassade mit geometrisch geflochtenen Metallbändern – in 300-Kilo-Großkisten zwischengelagert.
  • Über 90 Prozent der Vinschger Äpfel werden mittlerweile über solche vollautomatisierten Hochregallager verarbeitet. „Ein Wettbewerbsvorteil hinsichtlich Qualität, Schnelligkeit und Nachverfolgbarkeit, dank dem wir in Europa in Sachen Service an vorderster Front mitspielen“, sagt der VIP-Direktor Martin Pinzger. 
  • In rasanter Geschwindigkeit werden die Apfelkisten in den fünf Gängen des Lagers von Schiebewägen an- und abtransportiert. Ein Tempo, das die VIP auch bei der Auslieferung der Ware vorgibt. Innerhalb von 24 Stunden ab Bestellung sind die Äpfel im Geschäft, lautet das Versprechen. Das überall dort eingelöst wird, wo ihm nicht zu weite Distanzen zum Kunden entgegenstehen.

Im Vergleich zur VOG ist der Absatzmarkt der Vinschger Apfelproduzenten übersichtlicher. Rund die Hälfte der Ware wird innerhalb Italiens abgesetzt, der Rest geht nach Deutschland, auf die iberische Halbinsel, nach Skandinavien und in weitere 50 Märkte, auf denen die Vinschger als zuverlässiger Partner auftreten – ob als Eigenmarken-Lieferant großer Handelsketten oder innovativer Verpackungsspezialist. „Das Konsumverhalten verändert sich stetig, Familien werden immer kleiner, die Nachfrage nach Fertigprodukten,
aber auch nach weniger Plastik steigt“, sagt Pinzger. Entsprechend flexibel stellt sich der Erzeugerverband bei seinen Packaging-Angeboten auf: „Diesbezüglich sind wir mit unseren Strukturen auf einem sehr hohen Niveau im weltweiten Apfelsektor.“


Höchstes Niveau. 

Das ist die Formel, mit der Südtirols Apfelanbauer und ihre Genossenschaften die Hürden eines schwierigen Marktes knacken: Die Zukunft des Südtiroler Apfels liegt stets dort, wo andere noch nicht sind. Neue Wege suchen, sie begehen, sie anderen aufzeigen – ob bei Qualität und Sorteninnovation, Service oder Technologie. Eine Spezialität der Südtiroler Apfelwirtschaft, dank der es gelingt, den Apfel immer wieder neu zu erfinden. 


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Viel Spaß beim Lesen!

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